Die sozial-kognitive Theorie von Albert Bandura

Bandura ist der Überzeugung, dass das Verhalten oder Verhaltensänderungen von Menschen maßgeblich von ihrer Selbstwirksamkeitserwartung (oder Kompetenzerwartung) beeinflusst werden. Zum einen spielt hier die subjektive Überzeugung, bestimmte Handlungen ausführen zu können, eine entscheidende Rolle. Zum anderen wird angenommen, dass die individuelle Kompetenzerwartung in engem Zusammenhang mit der kollektiven Kompetenzerwartung des Individuums steht. Für Bandura (2001) gilt es als selbstverständlich, dass individuelle und kollektive Kompetenz sich wechselseitig positiv bedingen. Dieses Zusammenspiel hat einen Einfluss auf das Verhalten, d.h. z.B. das Ausmaß an Anstrengung, die Ausdauer oder die Art der eingesetzten Strategie. Das letztendliche Ergebnis des menschlichen Verhaltens wird allerdings noch von der Ergebniserwartung, also z.B. die Erwartung einer Person, dass ein gezeigtes Verhalten zu angestrebten Ergebnissen führt, beeinflusst.

Die Selbstwirksamkeitserwartung wird durch vier Erfahrungsbereiche beeinflusst:

  • Bewältigungserfahrung: Erfolge erhöhen die Selbstwirksamkeit, wohingegen Misserfolge sie reduzieren. Um die wahrgenommene Selbstwirksamkeit sukzessive zu erhöhen, ist es z.B. sinnvoll, Lernziele zu formulieren und in überprüfbare Teilziele herunter zu brechen oder „Probehandeln“ bei eher einfachen Aufgaben durchzuführen und sich dann zu steigern, um das Misserfolgsrisiko zu reduzieren. Dies ist der wichtigste Erfahrungsbereich, da die Person selbst aktiv wird.
  • Stellvertretende Erfahrung: Fehlt es in Verhaltensbereichen an eigenen Erfahrungen, kann die wahrgenommene Selbstwirksamkeit positiv durch Modellverhalten Anderer, welche als soziale Vergleichsgruppe akzeptiert wird, beeinflusst werden. Vor diesem Hintergrund können im Erfahrungsaustausch und in Mentorenmodellen wichtige Gestaltungsansätze liegen.
  • Verbale Informationsvermittlung: Wenn eine Person ihre Verhaltensausführung selbst nur schwer einschätzen kann, dann lässt sich die wahrgenommene Selbstwirksamkeit z.B. durch eine konstruktive Feedbackkultur stärken.
  • Psychologische und affektive Zustände: Stimmung und Gefühle stehen in enger Wechselwirkung mit der wahrgenommenen Selbstwirksamkeit. Zum Beispiel kann sich Stress negativ auf Gefühle und Lernverhalten auswirken. Ein effektives Zeit- und Konfliktmanagement kann als Ansatzpunkt zur Beeinflussung der affektiven Zustände dienen.


Bandura betont, dass zur Entwicklung individueller und kollektiver Kompetenzen die Aufmerksamkeit auf diese vier Bereiche gelenkt werden muss, um so das Verhalten und damit auch das Ergebnis einer Handlung effektiv zu verändern, da dies wechselseitig von der Umwelt und von Eigenschaften der Person beeinflusst wird.

Auf Basis der individuellen Selbstwirksamkeitserwartung und kollektiven Wirksamkeitserwartung zeigt die Theorie also, welche Bedeutung Mitarbeiter-, Feedback-, Konflikt- und Zielvereinbarungsgespräche für die Aufgabenbewältigung und Entwicklung von Mitarbeitern und Arbeitssystemen haben. Wirksamkeitserwartungen sind dabei gute Prädikatoren für tatsächliches Handeln und können durch den bewussten Einsatz von Führungsinstrumenten maßgeblich gestärkt und weiterentwickelt werden. Auch im Projekt CCM² wurde herausgefunden, dass das Führungsverhalten eine enorme Hebelwirkung auf die Kompetenzen hat. Somit ist das Wissen über die Kompetenzstruktur der Unternehmung von großem Interesse für Führungskräfte.

Um diese Theorie zu vertiefen, empfehlen wir Ihnen folgende Literatur.

  • Bandura, A. (1986). Social Foundations of Thought and Action – A Social Cognitive Theory. Englewood Cliffs: Prentice Hall.
  • Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York: Freeman.
  • Bandura, A. (2000). Exercise of Human Agency through Collective Efficacy. Current Directions in Psychological Science, 9(3), 75-78.
  • Bandura, A. (2001). Social Cognitive Theory – An Agentic Perspective. Annual Review Psychology, 52, 1-26.
  • Jonas, K., & Brömer, P. (2002). Die sozial-kognitive Theorie nach Bandura. In: D. Frey, & M. Irle (Hrsg.), Theorien der Sozialpsychologie. Bd. 2: Gruppen-, Interaktions- und Lerntheorien. Bern: Hans Huber, S. 277-299.
  • Schwarzer, R., & Jerusalem, M. (1999). Skalen zur Erfassung von Lehrer- und Schülermerkmalen. Dokumentation der psychometrischen Verfahren im Rahmen der Wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuchs Selbstwirksame Schulen. Berlin: Freie Universität Berlin.

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Individuelle Kompetenzerwartung: subjektive Überzeugung eines Individuums, ein bestimmtes Verhalten ausüben zu können (Jonas & Brömer, 2002)

Kollektive Kompetenzerwartung: individuelle Erwartung, innerhalb einer Gruppe wirksam werden zu können sowie Überzeugung der Gruppe als Ganzes, handlungswirksam zu sein (Schwarzer & Jerusalem, 1999)